Artikel: Gentleman: Der Grund für Jahs Zweitwohnsitz in Köln[ Musik ]
27.11.2007  |   Klicks: 4254   |   Kommentare: 2   |   Autor: Kawakazee
Gentleman: Der Grund für Jahs Zweitwohnsitz in Köln
Gentleman ist mittlerweile ein Innbegriff für Reggae aus Deutschland und international bekannt. Der Ausnahmekünstler aus Köln zeigte im Mannheimer Maimarktclub, dass nicht nur Rastafari aus dem Land der grünen Brille den „Vibe“ in Vollendung an den Mann bringen können, sondern auch Künstler unserer Sphären mit Reggae- Flavours rocken – ja, richtig: rocken! – können.
Sonntag der 25.11.07, 20 Uhr, Maimarktklub in Mannheim. Das Wetter ist diesig man hat eher Lust auf der häuslichen Couch zu liegen mit einer Tasse Glühwein. Doch letztendlich soll sich herausstellen, dass es eine Schande gewesen wäre seine Zeit daheim zu vertun.
Als Voract des Voracts legte DeeBuzz ein schnelles Tempo an Dancehall und Reggae auf. Schon hier merkte man an der tanzenden Menge, dass Liebe im Raum war und die Menschen zum Feiern gekommen sind.
Nachfolgend betrat der eigentliche Voract die Bühne. Die Vokabel „eigentlich“ ist dabei bewusst gewählt. Martin Jondo, seines Zeichens, schaffte es mit einer Akustikgitarre und seiner Stimme mit sowohl gemütlichen als auch schnellen Rhythmen die Zuhörer zu fesseln. Nicht nur das! Welche Vorband kann von sich behaupten, dass das Publikum fast jeden der Texte mitsingen kann? Demnach war die Auswahl der One-Man-Vorgruppe ausgezeichnet.

Nun sollte der Hauptact, Mr. Gentleman, die Bühne betreten. Die Menge voller Erwartung. Man wartete. Und man wartete noch ein Weilchen. Die Bühne wurde umgebaut. Und wer glaubt es? Genau! Wieder warten! Die durch Martin Jondo aufgeheizte Menge kühlte wieder merklich ab.Das war allerdings auch der einzige Kritikpunkt des Abends. Denn sobald auch nur ansatzweise die Präsenz von Gentleman zu spüren war, fing die Masse wieder an zu brodeln. Ein Intro der Band, die Backgroundsängerinnen stolzierten in einer Parade auf die Bühne. Sehr schöner Auftritt!

Dann der Auftritt von Gentleman! Die erste Amtshandlung war ein Sprung von der Bühne in den Fotograben um seine Fans zu begrüßen. Die Nähe zum Publikum war schlagartig hergestellt. Was vorher noch etwas reserviert war, wurde jetzt locker und in kurzer Zeit wurde fast ein neuer Siedepunkt der Stimmung erzeugt. Wer hier denkt, Reggae wäre nur Musik für Freunde der Grünen Brille und Althippies, die sich zu musikalischen Genüssen entspannen wollen liegt hier falsch! Gentleman flitzte voller Elan über die Bühne wie eine Katze auf dem heißen Blechdach und gab dabei sein Bestes!
Sein Bestes sei hierbei stark betont, denn eingangs machte der Kölner darauf aufmerksam, oder rechtfertigte sich eher für seine Stimme, weil er an diesem Abend dank einer Erkältung nach eigenen Aussagen „wie Kermit der Frosch“ klang. Das schadete dem Konzert jedoch in keinster Weise: Wo andere Künstler kapitulieren würden, zog Gentleman eine Show gnadenlos und grandios durch! Ruhig Stücke wechselten sich ab mit Songs, deren Lyrics er regelrecht wie ein Maschinengewehr ins Publikum schoss, an Schnelligkeit kaum zu überbieten! Der Abwechslungsreichtum in seinem Auftritt ließ dabei zu keinem Zeitpunkt Langeweile auftreten.

Auch kam bei seinem Auftritt der Background nicht zu kurz. Gentleman gab seinen Sängerinnen die Chance ihre Fähigkeiten auch solo unter Beweis zu stellen, was sie auch in 4 Erholungspausen, die Gentleman sich gönnte, taten.
Nach fast zwei Stunden Bühnenshow und mehreren Outfit- Wechseln fand die Show leider ein Ende. Wobei sogar dies energiegeladener nicht hätte sein können! Gentleman bescherte seinem Publikum einen recht rockigen Abgang. Oder doch nicht? Nein! Da die Menge immer wieder Zugaben verlangte gestatte es Gentleman den Fans seine Anwesenheit für drei Zugaben zu genießen in denen er seine "Klassiker" zum Besten gab. Und das trotz Erkältung und abgesagten Pre-Show-Interviews!
Deshalb noch mal ein Lob an den kölner Jamaikaner! Jah bless him!
 
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2 Kommentare zu diesem Artikel
28.11.07, 14:14 Uhr #1 von Chilliarch
04.12.07, 14:11 Uhr #2 von Linguist
das kann man besser machen:
Wie schafft man es, als Deutscher in Jamaikas Hauptstadt Kingston vor 30.000 Menschen zu spielen und als weißer Reggaekünstler unter den Rastafaris anerkannt zu werden? Der Kölner Tilmann Otto kann mehr als nur ein Lied davon singen, und tat das auch bei seinem Auftritt im Mannheimer Maimarktclub. Unter dem Künstlernamen Gentleman wurde der 32-Jährige zum ersten Reggae-Exportschlager Deutschlands.

Inhaltlich gesehen ist Gentleman mit Xavier Naidoo vergleichbar. Beide sind sehr religiös, ohne wirklich fromm zu leben, und erheben ihren Gottesglauben zum nahezu einzigen Thema ihrer Texte. Schon wenn man sich die Trackliste eines beliebigen Albums ansieht, springen einem eine Vielzahl von Jahs, der dem Judentum entlehnten und ermüdend oft gepriesenen Rastafari-Gottheit, um die Ohren. Jah verändert alles, irrt sich nie, ist der Gebieter, die Reise zu Jah, Jah-Jah in deinem Leben, heißt es da sinngemäß übersetzt. Eine unreflektierte Übernahme des religiösen Gedankenguts kann man Gentleman trotz aller textlichen Einsilbigkeit nicht vorwerfen. Denn dass Jah aus Jamaika auch entschieden etwas gegen Schwule hat, findet in Gentlemans Texten – Gott sei dank - keine Erwähnung. Im Kontrast zu einigen seiner Vorbilder vertritt Otto ein Lebenskonzept totaler Toleranz, Ehrlichkeit und Selbsttreue.
Die inhaltliche Komponente aber tritt ohnehin weitgehend in den Hintergrund. Nicht nur aufgrund der schwer verständlichen Kreolsprache Patois, die Gentleman nach zahlreichen Besuchen seiner zweiten Heimat sehr gut beherrscht. Die Melodie macht die Musik. Für viele der größtenteils jugendlichen Fans bieten die eigenartig leichten, eingängigen und bekömmlichen Arrangements der hervorragenden Far East Band eine saubere Projektionsfläche. Anders gesagt: Viele verstehen nur Bruchteile und ergänzen dies durch eigene Assoziationen, für die in Gentlemans Lyrik ohnehin viel Raum bleibt.
Sogar in der völlig charmelosen Fabrik-Atmosphäre des Maimarktclubs kommt mit Hilfe warmer Lichterfarben und durchweg harmonischer Sandstrand-Melodien ein wenig Reggae-Feeling auf. Gentleman selbst trägt Unterhemd zu Wollmütze und verbindet so auf subtile, wahrscheinlich unabsichtliche Weise seine geographische und seelische Heimat in seinem Outfit. Sein geschmackssicherer Soundtrack zum Sommerurlaub bereitet trotz wie immer leicht erkälteter Stimme gerade im beginnenden Winter warme Gedanken. Bei schnelleren Stücken wie dem wütend gerappten „Leave Us Alone“ kann man schwer ins Schwitzen geraten, bevor zum vertonten Glaubensbekenntnis „Send A Prayer“ wieder die Feuerzeuge geschwungen werden.
Überraschung, Weiterentwicklung oder gar Innovation hatten Gentleman-Kenner gar nicht erst erwartet, die anderen hofften vergebens. „Never change a winning team“ ist die Devise des rechtschaffenen Raggamuffins, und wird gnadenlos auch auf Texte, Musik und Live-Konzept angewendet. So wird der Weltenbummler dem Stigma einer besseren Hintergrundsmusik niemals entkommen. Selbst, wenn er es wollte.
Dieser Eintrag wurde 1 mal editiert, zuletzt 04.12.07, 14:11 Uhr
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